Vollautomatische Darstellung von Temperaturfixpunkten für industrielle Kalibrierlabors als präzise Alternative zur Vergleichskalibrierung

Vollautomatische Darstellung von Temperaturfixpunkten für industrielle Kalibrierlabors als präzise Alternative zur Vergleichskalibrierung

P. Klasmeier, T. Klasmeier, Fulda

Kurzfassung

Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung von Temperaturanzeigegeräten in Kombination mit stabilen Widerstandsthermometern werden die Grenzen der herkömmlichen Kalibrierung immer öfter erreicht. Durch den Einsatz von Flüssigkeits- oder auch Trockenthermostaten können durch den hohen technischen Standard Messunsicherheiten von 20 mK bis 50 mK erzielt werden.

Reichen diese Messunsicherheiten nicht aus, können durch den Einsatz von seit kurzem auf dem Markt befindlichen „Schlanken Temperaturfixpunktzellen“ auf der einen Seite Messunsicherheiten von ca. 2 mK bis 10 mK erzielt werden. Auf der anderen Seite aber kann der industrielle Anspruch in Bezug auf den Kalibrieraufwand gehalten werden, da Kalibrieranlagen mit „Schlanken Fixpunktzellen“ nahezu voll automatisiert werden können.

1. Einleitung

In der Praxis wird die Kalibrierung von Temperaturerfassungssystemen durch klassische Vergleichskalibrierung, also durch Vergleich gegen kalibrierte Temperaturnormale, realisiert. Durch den Einsatz von Flüssigkeits- oder auch Trockenthermostaten können durch den hohen technischen Standard Messunsicherheiten von 20 mK bis 50 mK erzielt werden. Diese Messunsicherheiten sind heute oft nicht mehr ausreichend, und können industriell nur schwer verringert werden.

Das überwiegende Problem der Vergleichskalibrierung liegt jedoch in der Abhängigkeit zum kalibrierten Temperaturfühler, der als Kalibriernormal genutzt wird. Der komplette Kalibrierprozess baut auf den Referenzfühler als Normal auf. Sollte dieser Fühler z.B. durch mechanische oder auch thermische Einflüsse unbewusst beschädigt werden, treten bei darauf folgenden Kalibrierungen, unweigerlich Messfehler von bis zu mehreren °C auf. Aus diesem Grund wird eine jährliche Rekalibrierung empfohlen, was die Vertrauensproblematik aber nur einengt und nicht beseitigt.

Eine neue Entwicklung schafft bei der genannten Problematik Abhilfe. Durch den Einsatz von seit kurzem auf dem Markt befindlichen „Schlanken Temperaturfixpunktzellen“ können auf der einen Seite Messunsicherheiten von ca. 2 mK bis 10 mK erzielt werden. Auf der anderen Seite aber kann der industrielle Anspruch in Bezug auf den Kalibrieraufwand gehalten werden, da Kalibrieranlagen mit „Schlanken Fixpunktzellen“ nahezu voll automatisiert werden können. Die Kalibrierung unter Verwendung von „Schlanken Fixpunktzellen“ für die Industrie unterscheidet sich in einigen Punkten ganz maßgeblich von den bekannten Vorgehensweisen in nationalen Primärlabors, wie das der PTB.

Der wohl am ehesten auffallende Unterschied ist das Außenmaterial der Fixpunktzelle. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zellen werden „Schlanke Fixpunktzellen“ nicht mit einem Glasmantel, sondern aus speziell gereinigten Metalllegierungen gefertigt. Dadurch werden Fixpunktzellen portabel und können nahezu beliebig gehandhabt werden, ohne dass die Gefahr des Bruches besteht. Durch diese Tatsache schaffen „Schlanke Fixpunktzellen“ ein Höchstmaß an Vertrauen, da im Gegensatz zu kalibrierten Fühlern das vorhandene Temperaturnormal auch durch größere mechanische Belastungen nicht zerstört oder zumindest verändert wird.

Der zweite wesentliche Unterschied besteht in den benutzten Thermostaten. Durch den Einsatz der schlanken Zellen können die Darstellungsbäder wesentlich kleiner gehalten werden. Durch diese konstruktiven Änderungen hat sich das Ansprechverhalten der Thermostate wesentlich verbessert. So kann eine Aluminiumzelle mit einer Erstarrungstemperatur von 660°C in ca. 2 Stunden in Betrieb genommen werden. Bei Temperaturen unter Umgebungstemperatur sind keine externen Kühler mehr notwendig, da durch die kleine Bauart mit Hilfe von Peltierelementen gekühlt werden kann. Durch die angesprochene neue Konstruktion der Thermostate und das daraus resultierende Ansprechverhalten, ist es möglich geworden, den Betrieb der „Schlanken Fixpunktzellen“ zu automatisieren. Da entsprechende Auswertgeräte und Messstellenumschalter ebenfalls mit Schnittstellen versehen werden können, ist Automatisierung bis zu einem sehr hohem Maße möglich. Zusätzlich besteht die Möglichkeit durch entsprechende Softwareapplikationen automatisch Kalibrierdaten zu ermitteln, Kalibrierkoeffizienten zu berechnen und Messmitteldatenbanken anzuschließen.

1.1. Temperaturkalibrierung an Temperaturfixpunkten

Unter der Kalibrierung von Temperaturfühlern und Anzeigegeräten unter Verwendung von Temperaturfixpunkten versteht man das Anwenden einer Temperaturskala, die durch in der Natur vorkommende fixe Temperaturen definiert ist. Welche physikalischen Definitionen das sind, und wie sie in der Praxis angewandt werden, wurde 1990 in der Internationalen Temperaturskala (ITS-90) gesetzlich festgeschrieben.

1.2. Die Internationale Temperaturskala von 1990

Die Internationale Temperaturskala von 1990, kurz ITS-90 genannt, ist die seit dem 1.1.1990 gesetzlich festgelegte Temperaturskala mit Gültigkeit in den meisten Ländern der Erde, darunter auch Deutschland. Sie wurde auf Basis von internationalen Vereinbarungen ausgearbeitet und beschreibt die Handhabung von Temperaturfixpunkten in Kalibrierlaboratorien und stellt thermodynamische Zusammenhänge für mathematische Berechnungen zur Verfügung (siehe Grafik 1).

 

2. Aufbau des Temperaturkalibrierlabors

2.1. Die Fixpunktzellen

Der wesentliche Bestandteil und die entscheidende Neuentwicklung eines Temperaturkalibrierlabores, welches unter Verwendung von Fixpunktzellen kalibrieren soll, sind natürlich die „Schlanken Temperaturfixpunktzellen“. Dabei handelt es sich letztendlich um Gefäße, in denen sich hoch reine Substanzen (Reinheit 99,99999%) befinden (siehe Grafik 2). Mit Schlanken Fixpunktzellen kann ein Temperaturbereich von -38°C (Quecksilber) bis 660°C (Aluminium) abgedeckt werden. Die Fixpunktzelle besteht, wie in Grafik 2 deutlich zu erkennen ist, aus einem Außenmantel, der aus Metall gefertigt wurde. Mit der Ausnahme der Wassertripelpunkzelle, welche aus Glas gefertigt wird, sind alle verwendeten Zellen mit einem Metallmantel versehen. Im Inneren der Zelle befindet sich das hochreine Material, das zur Erzeugung genauer Temperaturen benutzt wird. Das Materialvolumen einer solchen Fixpunktzelle beträgt etwa 270 cm³.

 

schlanke Fixpunktzelle

Thermostat

 

2.2. Die Thermostate

Durch den Einsatz der schlanken Zellen können die Darstellungsbäder wesentlich kleiner gehalten werden. Durch diese konstruktiven Änderungen hat sich das Ansprechverhalten der Thermostate wesentlich verbessert. So kann eine Aluminiumzelle mit einer Erstarrungstemperatur von 660°C in ca. 2 Stunde n komplett in Betrieb genommen werden. Bei Temperaturen unter Umgebungstemperatur sind keine externen Kühler mehr notwendig, da durch die kleine Bauart mit Hilfe von Peltierelementen gekühlt werden kann. Zusätzlich sind alle Thermostate mit PC-Schnittstellen ausgestattet, was die Grundlage des wirtschaftlichen Arbeitens ist. Um die Fixpunktzellen in Betrieb nehmen zu können, sind Thermostate notwendig, die möglichst homogene und genaue Temperaturen herstellen können. Um dieser Forderung nachzukommen, besitzen die verwendeten Thermostate drei Heiz- bzw. Kühlzonen, welche voneinander unabhängig geregelt werden können. Das Einsatzvolumen ist so gewählt, dass die Fixpunktzellen vollständig in den Ofen eingeführt werden.

3. Durchführung der Kalibrierung

3.1. Die Fixpunkte

Bevor mit dem eigentlichen Kalibriervorgang begonnen werden kann, muss festgelegt werden, in welchem Temperaturbereich das kalibrierte Thermometer später eingesetzt werden soll. Nach diesem Bereich können die zu benutzenden Fixpunkte und Gleichungen zur Kennlinienberechnung ausgewählt werden (siehe Grafik 1).

3.2. Betrieb von Schmelz- und Erstarrungspunkten

Im Prinzip muss nur dafür gesorgt werden, dass sich die Fixpunktzelle in einem Raum befindet, in dem eine möglichst homogene Temperatur herrscht, die der jeweiligen Schmelz- bzw. Erstarrungstemperatur entspricht. Dies wird dadurch erreicht, dass an dem 3-Zonen-Ofen an jeder einzelnen Heizzone die Temperatur so eingestellt wird, das in der Fixpunktzelle kein vertikaler Temperaturgradient mehr festzustellen ist. Um das zu gewährleisten, sind ausgiebige Untersuchungsarbeiten notwendig. Des weiteren muss die Fixpunktzelle möglichst gut von der Umgebungstemperatur im Labor isoliert werden.

Wenn die Temperatur im Fixpunktzelleninneren bei der Erstarrungs- bzw. Schmelztemperatur liegt, wird das Material in der Zelle selbstständig anfangen zu Schmelzen bzw. zu Erstarten. Es wird sich automatisch ein Temperaturplateau einstellen, welches zur Kalibrierung genutzt wird.

3.3. Automatisierung der Fixpunktkalibrierung

3.3.1. Verlängerung der Temperaturplateaus durch Fühlervorheizung

Bei allen eingesetzten Thermostaten existieren Bohrungen, um die zu kalibrierenden Fühler auf definierte Temperaturen vorzuheizen. Diese Vorheiztemperatur liegt ca. 5 – 10°C unter Plateautemperatur. Dadurch wird erreicht, dass der Temperaturfühler beim Einführen in die Schlanke Fixpunktzelle dem schmelzenden Material quasi Wärme entzieht, und somit das Schmelzplateau verlängert. Durch eine gleichmäßige Kalibrierfrequenz kann damit erreicht werden, dass Schlanke Fixpunktzellen den ganzen Arbeitstag auf Kalibriertemperatur gehalten werden können.

3.3.2. Rechnergestützte Plateauerstellung

Eine weitere Möglichkeit bei geringeren Kalibrierfrequenzen über den ganzen Arbeitstag Fixpunktzellen auf Kalibriertemperatur zu halten, ist die rechnerunterstütze Steuerung der Schlanken Fixpunktzellen. Dabei handelt es sich um Computerprogramme, welche kontinuierlich das Material zum Schmelzen bzw. zum Erstarren bringen. Die zeitliche Dauer des Plateaus wird dabei vom Benutzer vorgegeben, und kann an betriebliche Notwendigkeiten wie z.B. Prüffrequenzen angepasst werden. Die Computersteuerung zeigt gleichzeitig an, wann kalibriert werden kann, d.h. wann die Temperatur in der Zelle konstant ist. Übliche Taktraten hierbei sind z.B. 50 min. kalibrieren und 15 min. Plateauerstellung.

4. Zusammenfassung

Die Kalibrierung vom Temperaturfühlern und Thermometern in Fixpunktzellen ist das genauste Verfahren, das in der Praxis angewandt wird. Durch die Verwendung von Schlanken Fixpunkzellen kann diese hochgenaue Art der Kalibrierung auch in der Industrie wirtschaftlich eingesetzt werden. Durch die Robustheit und schnell ansprechende Bauweise der Schlanken Fixpunktzellen ergeben sich verschieden Möglichkeiten, Messunsicherheiten ohne Einbussen auf Seite der Wirtschaftlichkeit, zu verringern. Die Tatsache, sich nicht mehr auf hochsensible kalibrierte Thermometer als Temperaturnormal verlassen zu müssen, schafft ein Höchstmaß an Vertrauen in die durchgeführten Kalibrierungen. Die leichte und vor allem schnelle Arbeitsweise der Thermostate, hat es sinnvoll und möglich gemacht bis zu einem hohen Maß automatisiert zu kalibrieren. Dabei können vorhandene Messmitteldatenbanken und Softwareapplikationen der Vergleichskalibrierung ohne Probleme integriert werden.

Anhang:

Kalibrierung nach der Vergleichsmethode

Kalibrierung unter Verwendung von Temperaturfixpunkten

Thermostat zur Inbetriebnahme von Schlanke Temperaturfixpunktzellen

Technische Daten:

  • Metallblockkalibrator mit auswechselbaren Einsatz
  • Ein- oder Mehrfachzonenofen
  • Einbautiefen: 160mm bis 285 mm
  • Temperaturbereiche von -55°C bis 670°C
  • mit Timer, RS232 und Überwachungsthermometer

Technische Daten:

  • Substanz: >99,99999%
  • Außenmantel: Edelmetall
  • Masse: 500g bis 1,4Kg
  • Materialvolumen: ca 270cm³
  • Außendurchmesser: 31 bis 42mm
  • Innendurchmesser: 7,5 – 10mm
  • Länge: 200 – 250mm
  • Eintauchtiefen: 130 – 160mm

 

Silber 961,780°C
Aluminium 660,3230°C
Zink 419,5270°C
Zinn 231,9280°C
Indium 156,5985°C
Gallium 29,7646°C
Wasser 0,0100°C
Quecksilber -38,8344°C
Argon -189,3442°C
Sauerstoff -218,7916°C
Neon -248,5939°C
Helium -259,3467°C

Die Fixpunkte von Quecksilber bis Aluminium sind als Schlanke Fixpunktzellen verfügbar.